„Risk-Off“ an den Anlagemärkten

16.6.2022 – Wie war das mit der Diversifikation und Korrelation? Mische in Deinem Portfolio diverse Anlagen und limitiere damit das Anlagerisiko. Verwende dafür Anlagekategorien die möglichst nicht zu stark miteinander korrelieren. Dies scheint aktuell nicht mehr zu funktionieren. Da zeigen historische Auswertungen negative oder inexistente Korrelationen von Kryptos, Gold und Anleihen zu Aktienanlagen und dann dies: Alles sinkt gleichzeitig (= alles korreliert sehr stark). Wie kann das sein?

Seit der Finanzkrise in den Jahren 2008/09 haben die Zentralbanken einen riesigen Berg an Liquidität geschöpft. Sie haben dies einerseits mit sehr tiefen und in gewissen Währungen gar mit negativen Zinssätzen und andererseits vorallem auch mit ihrer Offenmarktpolitik erreicht. Die Zentralbanken haben für Billionen von USD Wertschriften gekauft und so das Zinsniveau auch sehr tief gehalten. Dies führte zu steigenden Preisen bei Anleihen, Aktien, Kryptos und Immobilien. Anleger haben – dank der günstigen Zinsen – Kredite aufgenommen und das Geld angelegt. Nun hat der Wind gedreht. Angesichts der hohen Inflationsraten sehen sich die Zentralbanken gezwungen, ihre Geldpolitik rasch anzupassen. Dies führt zu einem neuen Marktumfeld.

Die Zinsen steigen, was sich sehr negativ auf die Börsenkurse von Obligationen auswirkt. Der sichere Hafen der Obligationenanlagen funktioniert zum ersten Mal seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Anleger sind verunsichert und verkaufen aufgrund der schlechten Nachrichten (Coronapandemie, Krieg in Osteuropa, steigende Inflationsraten und Zinsen, drohende Rezession etc.) zunehmend Ihre Vermögensanlagen. Heute hat die Schweizerische Nationalbank ihre Leitzinsen um 50 Basispunkte (0,5%) angehoben. Kaum ein Ökonom hat diesen Schritt erwartet und die Anlagemärkte haben recht heftig darauf reagiert. 

Es ist «Risk Off» an den Anlagemärkten. Was ist damit gemeint? Anleger bringen ihre Schäfchen ins Trockene. Verkauft wird alles was liquide ist, also Aktien, Kryptos und auch Edelmetallanlagen wie Gold (wobei sich Gold einigermassen hält). Vergessen Sie die Theorien rund um Diversifikation und Korrelation in solchen Marktphasen. Insbesondere Anleger, die mit Krediten ihre Anlagen finanziert haben (das Zinsniveau war ja ideal dafür…) müssen unbedingt Liquidität beschaffen. Trotz der ganzen Liquiditätsschöpfung durch die Zentralbanken in den letzten 10 bis 15 Jahren werden die Anlagemärkte wohl zunehmend mit «Illiquidität» konfrontiert. Verkäufer (insbesondere grosse Anleger) haben wohl zunehmend Mühe eine Gegenpartei zu finden. Wenn man sich die gehandelten Volumen bei den Schweizer Blue Chips anschaut, so stellt man fest, dass diese eher tief sind. Die potenziellen Käufer warten wohl auf noch tiefere Kurse. Die Aktienkurse brauchen keine grossen Volumen um zu fallen, es benötigt aber für eine Erholung eher höhere Volumen.

Hört dieses Marktumfeld einmal auf? Klar! Die Frage ist natürlich wann und bei welchem Preisniveau. Für die nächsten Wochen und Monate erscheint das Marktumfeld schwierig zu bleiben. Auffällig ist auch, dass die Volatilitätsindices der Aktienmärkte noch nicht auf einem extremen Niveau notiert haben. Ein grosser Ausverkauf an den Aktienmärkten wie nach Ausbruch von Corona (2020) oder auch der Finanzkrise (2008) hat (noch?) nicht stattgefunden. 

Der ideale Moment für den Kauf von Aktien und anderen Anlagen wird wohl erst noch kommen – dann wenn alles hoffnungslos erscheint, die Volatilität sehr hoch ausfällt und die Stimmung am Boden ist. Vorderhand ist wohl «Cash King».

Jene die Sparpläne führen sollten unbeirrt an ihrer Strategie des regelmässigen Kaufens festhalten. Über die Zeit glätten die regelmässigen Einzahlungen all diese Schwankungen. Investoren benötigen wohl Durchhaltewillen und sollten sich im Rahmen ihrer Anlagestrategie taktisch defensiv verhalten.

Der ganze Beitrag ist eine persönliche Einschätzung des Autors und ist keine Anlageempfehlung!